Eine kleine Kostprobe

Wenn das Fräulein möchte könnte sie eigentlich die meisten Tage einfach faul herumliegen, das Internet durchstöbern oder sich der Lektüre widmen. Aber das mag sie irgendwie nicht, wenn sie faul herumliegt werden ihre Gedanken immer morbider (wie wenn sie das nicht ohnehin schon wären), das Internet findet sie schon lange nicht mehr so spannend wie es mal war (Anfang Neunziger war das Internet noch ein richtiges Abenteuer, zur Jahrtausendwende eine riesige Baustelle in welcher neue Kunstarten und experimentelle neue Gemeinschaftsformen ausprobiert wurden, Heute ist es von wenigen riesigen Institutionen und Geschäften plattgewalzt). Und Lektüre, tja, das Internet hat des Fräuleins Konzentrationsspanne zerschossen.

Und da muss das Fräulein sagen das sie sehr froh ist damals vor fast 2 Jahren eine Nähmaschine gekauft und einfach mal mit Nähen angefangen zu haben. Nicht nur weil ihr die Arbeit unzählige Stunden an Freude gebracht hat. Auch nicht nur weil ihr das Nähen durch zwei schwierige Trennungen hindurch geholfen hat. Und auch nicht nur weil sie Freude und Stolz an ihren fertigen Objekten hat.

Nein, was sie mit dem Nähen erlebt hat ist ein regelrechter Gesinnungswechsel. Sie ist von einer Konsumentin zu einer Produzentin geworden. Sie kreiert, sie schöpft, sie erschafft. Sie findet in sich den Willen zur stundenlangen Hingabe an ein Werk, sie blüht darin auf. Sie hat so viele Sachen gemacht welche sie nie für möglich gehalten hätte. Und so viele Sachen die ihr mal als unmöglich erschienen waren sieht sie jetzt als durchaus machbar. Sie merkt auch ganz deutlich wie sie sich besser fühlt wenn sie etwas kreiert, und wie sie umgekehrt in einem Morast versinkt wenn sie nichts schafft (oder nichts schaffen kann wenn die Depression sie wieder mal nieder rafft). Und sie will immer mehr Sachen aus ihren Händen schöpfen.

Also soll es niemanden wundern das sie nachdem sie die Handschuhe fertig hatte sofort in ein nächstes Projekt gestiegen ist, welches jetzt schon fertig ist (es war ein viel einfacheres Projekt als die Handschuhe). Ihre Freundin A. hatte sich einen Rock gewünscht, und den Gefallen hat sie ihr gerne erfüllt, erst recht weil A. bald Geburtstag hat. Aber vorzeitig zeigen will sie den Rock auch nicht, sie übergibt ihn erst am Freitag an A. Deshalb gibt es hier bloss ein Detailfoto als Kostprobe und Vorgeschmack auf den fertigen Rock.

Eigentlich wollte das Fräulein ja nur schnell den Rock präsentieren, die philosophischen Gedanken kamen unbeabsichtigt dazu. Sie hofft niemanden damit gelangweilt zu haben.